Das Dilemma der Linken heute
Will man sich mit der gegenwärtigen Situation nicht abfinden, wird man konstatieren müssen, dass die Linke sich heute in der Tat in einem Dilemma befindet.
Auf der einen Seite lässt sich das nicht einfach wiederholen, was vormals für die Linke prägend war, weil es schlicht vergangen ist. Auf der anderen Seite kann aber der noch so begründete Verzicht auf den vormaligen Anspruch auf die Welt- und Zukunftsgestaltung auch nicht das letzte Wort sein, ohne dass die Linke sich als politische Bewegung überflüssig macht. Denn die politischen Kämpfe für freiere Räume und gerechtere Formen innerhalb der globalen kapitalistischen Eigentumsordnung können ja durchaus auch von (sozial)liberalen, ja selbst konservativen Positionen aus geführt werden. Zugleich aber wird mit diesem Anspruchsverzicht der Linken auf eine alternative Ordnung der Gesellschaft die entstandene Leerstelle, wie wir derzeit sehen, von rechten und rückwärtsgewandten politischen Kräften ausgefüllt, die sich den großen Zukunftsherausforderungen schlicht verweigern..
Angesichts dieses Dilemmas muss sich die Linke offenbar zu einer grundlegenden Erneuerung ihrer Programmatik herausgefordert sehen. Diese sehe ich darin: Sie wird sich erstens eingestehen müssen, dass das vormalige Paradigma der Emanzipation, die Vorstellung eines kommenden Eintritts in eine andere, wahrhaft solidarische Ordnung der Freien und Gleichen, das die Linke als politische Bewegung von Beginn an motiviert hatte, sich erschöpft hat. Es taugt nur noch für Parteitags- und Sonntagsreden. Sie wird sich zweitens auch eingestehen müssen, dass der Verzicht auf die Eigentumsfrage, auf die politische Alternative zwischen dem Privat- und dem Gemeineigentum, sich als entpolitisierend und damit als verheerend für die Identität der linken Bewegung erwiesen hat; dass jedoch die Frage nach einer alternativen Eigentumsordnung drittens heute auf eine neue Art beantwortet werden muss. Dieser programmatischen Erneuerung möchte ich in den folgenden Beiträgen nachgehen.
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